Arbeitsgemeinschaft Elternbeiräte an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart

AKTUELLES

ARGE-Mitglieder wollen mit einer Klage den Unterrichtsausfall bekämpfen

Protokoll der 1. ARGE-Sitzung im Schuljahr 2019/20

Termin:                       Samstag, 16. November 2019 von 10.00 Uhr bis 15.15 Uhr

Ort:                              Feuerseemensa Ludwigsburg, Karlstr.

Teilnehmer:              64 (siehe Anwesenheitsliste; liegt dem Vorstand vor)

Tagesordnung:        siehe Einladung zur o.a. Sitzung vom 03. November 2019 und Anlage 1

 

TOP 1            Begrüßung und Genehmigung des Protokolls der letzten Sitzung

Der Vorsitzende, Herr Michael Mattig-Gerlach begrüßt alle herzlich. Nachfolgend wird das Protokoll der 2. ARGE-Sitzung am 23. März 2019 mit 3 Enthaltungen

einstimmig genehmigt.

TOP 2            Gesamtsituation einschl. Ergebnis der Unterrichtserhebung 2019

Der Vorsitzende, Herr Mattig-Gerlach berichtet zunächst über die Umsetzung des einstimmigen Beschlus-ses der letzten ARGE-Sitzung am 23. März 2019 (vgl. auch Anlage 1).

Wie beschlossen, wurde das Rechtsgutachten der Rechtsanwaltskanzlei Wuertenberger vom 25. Februar 2019 dem Kultusministerium zugeleitet, woraufhin dann am 9. Mai 2019 eine Besprechung mit der Ministerin und ihren Ministeriellen stattfand, das in konstruktiver Atmosphäre verlief. Die ARGE betonte in dieser Besprechung, dass die Eltern alle Maßnahmen des Ministeriums unterstützen werden, die dazu dienen, schnellstmöglich nachhaltige Verbesserungen bei der Unterrichtsversorgung in den Gymnasien des Landes zu erreichen. Aus Sicht von Frau Dr. Eisenmann wäre eine gerichtliche Klärung sogar hilfreich, da dadurch geklärt würde, welche Maßnahmen und in welchem Umfang ein Land ergreifen muss, um Unterrichtsausfall auf ein unschädliches Maß zu reduzieren.

Weiterhin hat die ARGE das Gespräch mit allen Fraktionen (mit Ausnahme der AfD) gesucht, da der Landtag schlussendlich über die Bereitstellung von Mitteln zur Umsetzung der notwendigen bildungs-politischen Maßnahmen in den Haushalten 2020/21 entscheidet. Diese Gespräche fand ebenfalls in einer konstruktiven Atmosphäre statt, wobei die Opposition nachvollziehbar die Forderungen der ARGE (110prozentige Unterrichtsversorgung, keine Entlassung von Referendaren nach dem 2. Staatsexamen[1], Kürzung der Lehrerdeputate um eine Stunde für einen schulinternen Vertretungspool, Springerverträge, Einstellung von Quereinsteigern und Erhöhung der Altersermäßigung) vollumfänglich unterstützt. Wie beschlossen, wurde über diese Bemühungen des Vorstandes der ARGE Stuttgart kontinuierlich über die Homepage und Rundschreiben informiert.

Im Haushaltsplan 2020/21 findet sich von all‘ den Zusagen nichts. Zum 01.01.2020 werden nominell 81, effektiv 21 und zum 01.01.2021 nominell 130, effektiv 65 zusätzliche Stellen in den Gymnasien des Landes zur Verfügung stehen, was nicht einmal dem vom Philologenverband berechneten Bedarf von zusätzlich 200 Stellen pro Jahr zur Realisation der neuen Oberstufe entspricht. Rückschritt nicht Fortschritt ist beschlossen; seit 2012 hat es trotz ansteigender Schülerzahlen keine wesentliche Änderung bei der Lehreranzahl ergeben, sodass Baden-Württemberg heute auf dem 9. Platz im Lehrer-/Schüler-Ränking der Bundesländer liegt.

Um die Entwicklung des Unterrichtsausfalles besser einschätzen zu können, hat die ARGE Stuttgart eine zweite Erhebung über den Zeitraum 39. - 43. Kalenderwoche 2019 (44. Kalenderwoche = Ferienwoche) durchgeführt, an der sich 34 Gymnasien (22%) (2018: 39 (25%)) beteiligt habe. Erwartungsgemäß fiel etwas weniger Unterricht aus: 10,77% des Unterrichts fand nicht wie geplant statt; davon fanden 5,67% des geplanten Unterrichts überhaupt nicht und 5,1% als Vertretungsstunden statt. Das heißt, dass schon zu Beginn des Schuljahres, nach den Sommerferien mehr als jede 10 Stunde ausfällt. Übrigens - so die Mitteilung aus dem Kultusministerium - ist die sog. „Krankheitsreserve“ bereits zu Beginn des Schuljahrs ausgeschöpft, sodass für die aufgrund des nunmehr verjüngten Lehrerkollegiums zu erwartende „Schwangerschafts- und Elternzeitwelle“ keine Reserven mehr zur Verfügung stehen.

Zusammenfassend stellt Herr Mattig-Gerlach fest, dass sich an der Unterrichtsversorgung in den Gymnasien des Landes nichts geändert hat und auf absehbare Zeit nichts ändern wird. Es müsse deshalb nunmehr entschieden werden, ob - wie angekündigt - eine Klage gegen das Land wegen des Unterrichts-ausfalls vorbereitet und eingereicht werden soll. Zur Erläuterung des angedachten Rechtsweges übergibt Herr Mattig-Gerlach an Herrn Dr. Wuertenberger.

TOP 3            Erläuterungen zu einer möglichen Klage

Herr Dr. Wuertenberger erläutert unter Verweis auf sein auf der Homepage eingestellten Rechtsgut-achtens[2], dass eine „Sammelklage“ nicht, sondern nur eine „Individualklage“ sowohl als Feststellungs- als auch Leistungsklage möglich ist. Weiterhin weist er darauf hin, dass mit einer solchen Klage „Neuland“ betreten wird bzw. bisher nur ein abschlägiges Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Sachsen-Anhalt im Eilverfahren vorliegt, das sich allerdings auf den Unterrichtsausfall in „Nebenfächern“ bezog. Er gründet die Klage „Anspruch auf Schule“ auf die Artikel 2 (Freie Entfaltung), 3 (Chancen-/Gleichheit) und 12 (Freie Berufswahl) des Grundgesetzes, wobei bei allen verfassungsmäßigen Abwägungen immer zu entscheiden sein wird, wann ein Zustand unzumutbar ist. Im Fall des Unterrichtsausfalls hat er in seinem Rechtsgut-achten die Grenze von 8% herausgearbeitet, d.h. ein Unterrichtsausfall von mehr als 8% im Schuljahr in den Kernfächern verletzt die in den genannten Artikeln genannten Grundrechte.

 

TOP 4            Aussprache

In der nachfolgenden Aussprache werden der Instanzenweg (Verwaltungsgericht des Regierungsbezirkes des klagenden Schülers, Oberverwaltungsgericht Baden-Württemberg, Bundesverwaltungsgericht, ggf. Bundesverfassungsgericht) sowie die Kosten (1. Instanz: Gerichtskosten: 363,-€, ggf. Anwaltskosten der Gegenseite: rund 1 TEUR und Anwaltskosten der ARGE Stuttgart: überschaubar) hinterfragt. Die Kassenführerin, Frau Bechmann weist darauf hin, dass die für Rechtsauseinandersetzungen der ARGE Stuttgart gebildeten Rücklagen die Kosten der 1. Instanz ohne Probleme decken. Herr Mattig-Gerlach ergänzt, dass bei weiteren Instanzen zusätzliche Mittel z.B. durch Crowdfunding aquiriert werden müssten.

Auch die Erfolgsaussichten der Klage werden diskutiert. So könne die Klage ganz einfach dadurch unterlaufen werden, dass nach Bekanntwerden des Klägers durch das Kultusministerium bzw. die Schulverwaltung sichergestellt wird, dass in dem Gymnasium/Klasse kein Unterricht mehr ausfällt, wie dies bereits bei dem Schüler praktiziert worden ist, dessen Klagebereitschaft in der Landespressekon-ferenz am 14. März 2019 bekannt gegeben wurde. Die Möglichkeit von mehreren Klagen wird diskutiert, allerdings aufgrund der Kosten als auch des Druckes sowohl auf das Gymnasium als auch auf den Schüler abgelehnt.

Hinterfragt wird auch, ob an den Gymnasien bereits alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden sind, um Unterrichtsausfall in den Pflichtfächern zu vermeiden. Herr Mattig-Gerlach weist darauf hin, dass das Kultusministerium 80 Schulverwaltungen einbestellt habe, um über die Vertretungsplanung an diesen Gymnasien zu sprechen. Offensichtlich denkt das Kultusministerium in eine ähnliche Richtung, alles nur ein Problem eines ordentlich realisierten Vertretungsplanes.

Als Alternativen zu einer Klage wird auf die Möglichkeit des Schulterschlusses mit anderen Schultypen, von Online-Petitionen (vgl. G8/9-Petition mit rund 36.000 Unterschriften) und Bürgerbegehren, der Übergabe an einen „Klageverein“ (vgl. Umwelthilfe) und das Einklagen der Kosten der Eltern für Nachhilfeunterricht zur Kompensation des Unterrichtsausfalls (vgl. Kita-Gebühren) hingewiesen. Die Realisation eines Schulterschlusses mit anderen Schultypen oder die Durchführung einer Onlinepetition bzw. Bürgerbegehrens ist mit erheblichem Aufwand verbunden, der vom Vorstand der ARGE Stuttgart nicht noch zusätzlich geleistet werden kann. Dr. Wuertenberger weist darauf hin, dass „Popularklagen“ in Deutschland nur in Ausnahmefällen (europäische Umweltrecht) zulässig sind; die Möglichkeit einer Klage nach dem Muster der Kita-Gebühren wäre rechtlich zu prüfen.

 

TOP 5                 Abstimmung zu einer Klage gegen das Land

Die Mitgliederversammlung der ARGE Stuttgart beauftragt den Vorstand mit 54 Ja-, 7 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen, auf der Grundlage des Rechtsgutachtens der Rechtsanwaltskanzlei Wuertenberger vom 25. Februar 2019

eine Individual-Klage gegen das Land Baden-Württtemberg vorzubereiten und eine klagewillige Familie bzw. den/die klagewillige/n Schüler(in) zu unterstützen. Dieser Auftrag gilt für die erste Instanz des Verfahrens. Das weitere Vorgehen wird ggf. nach einem Urteil von den Mitgliedern der ARGE Stuttgart erneut diskutiert, über eine weitere Unterstützung der Klage entsprechend in der Mitgliederversammlung neu abgestimmt.

(Dieser Beschluss der Mitgliederversammlung wurde in der Landespressekonferenz am 18. November 2019 erläutert[3].)

TOP 6                   Informationen aus dem Regierungspräsidium Stuttgart

Herr Quade berichtet über die Weiterentwicklung der gymnasialen Oberstufe. Herr Dr. Schardt und Herr
Soric berichten über die derzeitige Unterrichtsversorgung und die zur Verfügung stehende Krankheitsreserve (Anlage 2). Hervorzuheben sind folgende, vom Regierungspräsidium präsentierten Zahlen:


 

Tabelle 1:            Versorgungsgrad

 

Schuljahr

Versorgungsgrad

Neueinstellungen
(Personen)

Befristungen (Personen)

2018/2019

103,7%

339

332

2019/2020

103,8%

445

221

 

Tabelle 2:            landesweiter Unterrichtsausfall

 

Erhebungsmonat

abwesend

vertreten

ausgefallen

6/2018

12,7%

6,1%

6,6%

6/2019

13,8%

6,4%

7,4%

 

Der durchschnittliche Unterrichtsausfall im Regierungsbezirk Stuttgart betrug bei der Erhebung 6/2019
8% und die landesweite Krankheitsreserve umfasste 128 Deputate.

TOP 7              MINT-Kolleg BaWü: Oberstufe-Abitur-Studium/Ausbildung    

Nach der Mittagspause berichtet Dr. Röhrl (Anlage 3) recht kurzweilig über die verschiedenen Möglichkeiten, wie man sich als Gymnasiast auf ein Studium oder Ausbildung vorbereiten kann und plädierte nachdrücklich dafür, diese Möglichkeiten auch zu nutzen. Beruhigend wies er darauf hin, dass ein Wechsel (des Studienfaches) innerhalb des ersten Jahres kein „Beinbruch“ ist.

gez. Dr. Reinhold Hauser                                                gez. Michael Mattig-Gerlach
Schriftführer                                                                        Vorsitzender