Arbeitsgemeinschaft Elternbeiräte an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart

AKTUELLES

ARGEn Stuttgart und Karlsruhe fordern echte Wiederöffnung von Schulen und Kitas

Presse-Erklärung der Arbeitsgemeinschaften der Elternvertreter an den Gymnasien in den Regierungsbezirken Stuttgart und Karlsruhe:

Die Arbeitsgemeinschaften der Elternvertreter an den Gymnasien der Regierungsbezirke Stuttgart und Karlsruhe haben das Kultusministerium aufgefordert, umgehend ein kurz-, mittel- und langfristiges Konzept für die Wiederaufnahme des Unterrichts an den Schulen und die Betreuung in den Kindertagesstätten vorzulegen und umzusetzen. War es vor Ostern, evtl. auch vor Pfingsten noch akzeptabel, im Krisenmodus zu arbeiten, ist es nach den Pfingstferien an der Zeit, diesen hinter sich zu lassen und einen geordneten Betrieb an den Schulen vorzusehen.

Das Kultusministerium hat es bislang versäumt, ein Konzept vorzulegen, um vom Notbetrieb in einen geregelten Betrieb überzugehen, der eine vollständige Beschulung (vor Ort oder zu Hause) ermöglicht. Die Ankündigung, ab den Pfingstferien wieder alle Schüler in den Präsenzunterricht zurückzubekommen, löst in seiner Umsetzung an den Schulen nicht einmal im Ansatz die Probleme, mit denen die Eltern seit Beginn des Lockdown zu kämpfen haben. Die Wiederaufnahme des Eltern-entlastenden Kita-Betriebes ist auch noch nicht in Sicht.

Um keine falschen Diskussionen aufkommen zu lassen: Die Eltern sind sehr dankbar für das enorme Engagement und die Anstrengungen, die seitens der Lehrer*innen bei der Bewältigung der Corona-Krise feststellbar waren. Sie haben damit – wie die Eltern auch – versucht, das Beste aus einer Situation zu machen, auf die niemand vorbereitet war. Leider auch nicht unser Schulsystem als Ganzes. Sich damit aufzuhalten, dass es bei allen Beteiligten auch weniger Engagierte und Angestrengte gab, hindert lediglich daran, die nächste Zukunft erfolgversprechend anzugehen.

Baden-Württembergs Schulsystem war schon vor Corona geprägt durch Lehrer-Unterversorgung, Unterrichtsausfall im zweistelligen Bereich und miserabler digitaler Ausstattung. Dies droht sich nun durch Corona zu verfestigen. In dem in der letzten Woche beschlossenen Konjunkturprogramm des Bundes ist – wie leider zu erwarten war – nichts über Bildungs- und Zukunftsinvestitionen zu finden. Die nächste Generation ist lediglich insofern berücksichtigt, als sie die Schulden für das Paket bezahlen muss. Zu Zeiten voller Kassen wurde das Bildungssystem in Baden-Württemberg totgespart – und nun wird bei den leicht voraussehbaren „leeren“ Kassen der Kommunen dieses niedrigste Niveau für Zukunftssicherung eingefroren. Bildung verkommt nicht erst seit Corona, jetzt aber endgültig, zur Randnotiz der Politik!     

Die Eltern haben auf Distanzunterricht und Schließung der Kitas  mit aller denkbaren und möglichen Flexibilität reagiert. Mit den bisherigen Maßnahmen und mit erheblicher Belastung aller Beteiligter sind die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, nun mit Unterricht und Betreuung wieder starten zu können. Leider geschieht seitens des Kultusministeriums aus Sicht der Elternvertreter nichts Erkennbares, um den Auswirkungen der Pandemie auch sehr weit in das neue Schuljahr hinein entgegenwirken zu können. Es fehlt ein Konzept, wie die extrem unterschiedlichen Lernerfolge im Distanzunterricht wieder auf ein gemeinsames Lernniveau gebracht werden können.

Das Warten auf die Erkenntnisse von wissenschaftlichen Studien als Voraussetzung für eine Reaktion muss beendet werden. Die Eltern können nicht länger warten – und haben gleichwohl Anspruch darauf, dass das Kultusministerium seiner Verantwortung für die Gesundheit unserer Kinder und für die schulischen Verpflichtungen gerecht wird. Dort, wo es aus virologischer und epidemiologischer Sicht möglich ist, muss der Präsenzunterricht sofort wieder aufgenommen werden. Dieser ist durch umfangreiche Testmaßnahmen abzusichern. Alle Klassen haben zyklisch in den Genuss des Präsenzunterrichts zu kommen. Dort, wo dieses noch nicht möglich ist, muss Distanzunterricht nach klaren zeitlichen und stofflichen Vorgaben erfolgen. Das Kultusministerium muss angesichts des bereits bekannten Unterrichtsausfalls für angepasste Bildungspläne sorgen.

Deshalb fordern die Elternvertreter konkret:

 -        Das Kultusministerium muss umgehend ein umfassendes Kontrollsystem für den Präsenzunterricht anordnen und dafür die erforderlichen Mittel und das Personal zur Verfügung stellen. Mit regelmäßigen und umfassenden Kontrollen an den Schulen müssen eine schnelle Reaktion und gegebenenfalls schnelle Quarantäne für die Infizierten sichergestellt sein. Wenn es möglich ist, ein System zu entwickeln, das Tausende von Profi-Kickern regelmäßig testet und im Infektionsfall sofort reagiert, dann muss es auch möglich sein, im Schul- und Kitasystem die Voraussetzungen für regelmäßigen Unterricht und Betreuung zu schaffen.

 -        Das Kultusministerium muss sofort die Grundlagen für die Verzahnung von Präsenz- und Distanzunterricht ab den achten Klassen schaffen und den Schulen den Rahmen geben, den Präsenzunterricht für die Klassen eins bis sieben wiederaufzunehmen. Dafür muss das Land sofort die online-Voraussetzungen erfüllen und ebenfalls sofort Online-Plattformen verbindlich vorschreiben - gerne auch mit Alternativen. Ebenso wie für den "Rest" der Wirtschaft müssen sofort zusätzliche Mittel für das Schulsystem freigegeben werden. (Aus dem Digitalpakt gibt es dafür viele Millionen Euro! Die Modalitäten eines komplizierten Antragsverfahrens für Schulen und Schulträger dürfen nicht länger eine Entschuldigung dafür sein, dass die dringend benötigten Mittel nicht ausgezahlt werden.)

 -        Das Kultusministerium muss einen verbindlichen Rahmen dafür schaffen, dass die Schulen alle Lehrer*innen im vollen Umfang ihrer Lehrverpflichtung zur Betreuung und zum Unterricht heranziehen können. Die Regelung, dass "Angehörige" der "Risikogruppe" auf eigenen Wunsch zuhause bleiben können - auch ohne jegliche Symptome, haben die Lehrer*innen exklusiv gegenüber allen anderen Berufsgruppen. Das gilt noch nicht einmal für 60-jährige Krankenschwestern oder -pfleger in den Corona-Intensivstationen der Krankenhäuser!!!!

 -        Solange diese Risikogruppen-Regelung für Lehrer weiterbesteht, müssen Angehörige der Risikogruppe verstärkt oder auch ausschließlich ihren Verpflichtungen im Online-Unterricht - z.B. in der Online-Aufgaben-Betreuung und im Online-Lerngruppen-Unterricht - nachkommen. Diesen Rahmen des Ministeriums zu füllen, ist dann die Aufgabe der Schulen.

Das Chaos in der Realisierung von Distanzunterricht, einheitlicher Aktivierung auch nur der digitalen Mindeststandards und Mindestversorgung an den Schulen für die Schüler*innen wird sich weder bis zu den Sommerferien noch danach auflösen. Wir Eltern sehen, dass die Beschulung für längere Zeit nicht wieder so werden wird, wie im Februar 2019, so dass wir nun schnellsten sinnvolle Konzepte erwarten, die unseren Kindern den notwendigen Stoff vermitteln und auch faire Prüfungen erlauben.

Das Kultusministerium muss den Schulen, Lehrer*innen, Schüler*innen und Eltern einen Rahmen geben, innerhalb dessen eine tatsächliche Wiederaufnahme des Unterrichts realistisch von den Schulen geplant und umgesetzt werden kann. Durch die genannten Maßnahmen würden die Schulen erheblich an Spielraum gewinnen, um den Präsenzunterricht für jüngere Jahrgänge intensivieren zu können. Die „Betreuung“ älterer Jahrgänge ist in diesem Zusammenhang und unter Corona-Bedingungen ein eher nachrangiges Problem, gemessen an der Notwendigkeit eines Präsenzunterrichts für jüngeren Jahrgänge.

Die Elternvertreter für die Gymnasien des Landes sprechen sicher nicht nur für die Gymnasien, sondern für alle Schulformen, wenn sie erwarten, dass die Kultuspolitik des Landes sofort die Weichen für die Bildungspolitik der nächsten Zukunft stellt. Die nächste Generation der Steuerzahler als bloßes Instrument der Schulden-Rückzahlung zu missbrauchen und zukunftsorientierte Bildungspolitik erneut als nachrangig einzuordnen, darf von niemandem in der Gesellschaft – und auch von keinem der im nächsten Jahr zu Wahlen aufgerufenen Bürger akzeptiert werden!

Michael Mattig-Gerlach,                             Yvonne Blessing

Ines Müller-Vogt                                       für den Vorstand der ARGE Karlsruhe

für den Vorstand der ARGE Stuttgart