Arbeitsgemeinschaft Elternbeiräte an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart

AKTUELLES

Pandemie-Maßnahmen für Schulen: Zu spät, zu wenig und unzureichend

Rundschreiben vom 17.Dezember 2020

Liebe Mitglieder der ARGE Stuttgart,

der Landeselternbeirat in Niedersachen sieht unsere Kinder "kaltgestellt" durch die gebetsmühlenhaft vorgetragene Aufforderung an die Schulen, zum Stoßlüften. Der LEB in Baden-Württemberg fordert schon seit Ende der Sommerferien das Konzept aus Raum-Belüftung, Plexiglasscheiben und FFP-2-Masken für die Wege im Klassenzimmer. Alle anderen Elterngremien in Bund und Land sind sich inzwischen einig darin, dass das von der Kultusminister-Konferenz als einzig gültigen Ratschlag empfohlene Stoßlüften längst hätte durch Methoden des 21.-Jahrhunderts hätten ergänzt werden müssen. Die kosten halt Geld - in Baden-Württemberg eben die bekannten 150 bis 200 Millionen - und die gibt es eben nicht für die Schulen des Landes.

In den Landtagen überall im Bund kann man sehen, dass zwischen den Abgeordneten-Sitzen die Plexiglasscheiben längst stehen. Man darf vermuten, dass die Landtagssitzungen kaum im 20-Minuten-Abstand für "Fenster-und-Türen-Auf!" unterbrochen werden. Es wird auch aus keiner Schule berichtet, dass die Abgeordneten der Einladung von Elternvertretern und Lehrkräften gefolgt sind und sich mal einen kalten Tag lang dem Stoßlüften ausgesetzt haben. Zu einer derartigen Feldstudie war dem Vernehmen nach auch die Kultusministerin bei Ihren Wahlkampfrundreisen durch die Schulen nicht bereit. Im Staatsministerium von Baden-Württemberg hat man für die Kabinettssitzungen und die Mensa schon sehr früh leistungsstarke Belüfter eingekauft - nur in den Schulen findet man von all dem nichts!  

Um den Landeselternbeirat Niedersachen zu zitieren: Fällt uns nichts Besseres ein, als unsere Schüler*innen kalt zu stellen? Heizen wir Energie weiterhin zum Fenster hinaus? Wann erleben wir Schulalltag wieder ohne ständigen Blick auf Inzidenzzahlen und damit verbundene Wechselszenarien? Lüften, Kniebeugen und Alltagsmasken sind doch eher Methoden aus dem letzten Jahrhundert, die wohl noch aus Zeiten der Spanischen Grippe stammen. Wo sind unsere innovativen Ideen und Konzepte im Land der Dichter und Denker, im Land der Technik und Forschung?“

Das Problem: Diese Technik einzusetzen würde halt Geld kosten. Geld, das es überall in der Wirtschaft in Milliarden-Höhe gibt, nur in der Bildungspolitik gibt es halt allenfalls Kleingeld.

Etwa drei Millionen Euro für die Wertschätzung der Schulleiter, damit die 600 Euro als Anerkennung für ihre Corona-Dienste unter dem Weihnachtsbaum liegen haben. Nichts gegen die Wertschätzung gegenüber den Schulleitern. Allerdings haben eine gleichartige Wertschätzung nicht auch alle Lehrkräfte verdient, die doch täglich seit Beginn des Unterrichts unter Pandemie-Bedingungen mit der Unzulänglichkeit unserer Schulen zu kämpfen haben?

Die Dringlichkeit eines Unterrichts für die künftigen Dichter, Tüftler und Denker, der mit Methoden des 21.Jahrhunderts durchgeführt wird, war natürlich für niemanden voraussehbar. Außer vielleicht bei den betroffenen Schüler*innen, Lehrkräften und Eltern. Aber wer hört schon auf eine derart heterogene Gruppe, die ohnehin ja nur Interessen-spezifisch argumentiert. Ganz anders als beispielsweise die Vertreter der Automobilindustrie, denen die Sicherung der Arbeitsplätze und damit die Funktion unserer Gesellschaft und damit das Gemeinwohl selbst am Herzen liegt.

Bei all den zweifelsfrei nötigen Milliarden für die Wirtschaft fällt den Lobbyisten der Schulen eben auf, dass beispielsweise nirgends ein mittelfristig angelegtes Konzept in Sicht ist, in dem Online-Unterricht als Ergänzung zum überwiegenden Präsenzunterricht eine Selbstverständlichkeit ist. Wenn Schulen in der ersten Welle des Lockdowns einfallsreiche Lösungen für Online-Unterricht mit dem Handicap der ganz normalen Unterrichtsbedingungen versuchten, diese zu umschiffen, bekamen sie dafür zu Recht hohes Lob durch Eltern und Schüler*innen. Im Kultusministerium hat man davon offensichtlich keine so hohe Wertschätzung, sondern schließt komplett mal kurzfristig  vor Weihnachten den ganzen Schulbetrieb, sorgt für eine weitere Woche weniger Unterricht und kann auch jetzt nicht sagen, wie es mit den versäumten Klausuren oder den fehlenden mündlichen Noten für die Halbjahreszeugnisse weitergeht.

Wird schon irgendwie werden. Dringende Empfehlung für den 7. Oder 8.Januar an alle Lehrkräfte, Schüler*innen und Eltern: Hören und sehen Sie genau alle Nachrichten-relevanten Sendungen und Zeitungen durch. Es könnte am Abend die Nachricht kommen, dass ab dem 10.Januar tatsächlich Schule stattfindet oder auch nicht. Und wenn ja, wie oder wo oder halb zuhause und halb in der Schule. Und selbstverständlich werden dann die in der Regel stellvertretenden Schulleiter einen Wechsel-Hybrid-Unterrichtsplan differenziert für die Klassen eins bis sieben, acht bis zehn und dann auch noch für alle Abschlussklassen, also die Jahrgangsstufen, aus der Schublade zaubern. Geht ganz leicht – und ist auf keinen Fall einer Wertschätzung in Höhe von 600 Euro wert!

Es fällt wirklich schwer, am Ende des Jahres diesem Schuljahr etwas Positives abzugewinnen.

Das gibt es aber: Ganz sicher haben viele Eltern erkannt, dass Lehrkräfte sehr viel wichtiger im Unterricht sind, als noch so gute und ausgefeilte digitale Unterrichtsmittel.  Sie haben in der Coronazeit die Lehrkräfte schätzen gelernt, die sich um die Schüler*innen gekümmert und Methoden entwickelt haben, so manchen Schüler aus dem abgetauchten Zustand wieder zurück in die Klassengemeinschaft zu führen. Sie haben Schulleitungen kennengelernt, die Lösungswege gemeinsam auch mit den Eltern gesucht und gefunden haben. Und sie haben natürlich auch die gegenteiligen Erkenntnisse gewinnen können – wie an jedem Arbeitsplatz und in jeder Firma eben auch.

Positiv könnte ja auch sein, dass jede Schule den 40 Millionen-Euro Topf des Kultusministeriums aus bisher nicht abgerufenen Mitteln dazu nutzt, Corona-Maßnahmen im eigenen Ermessen und über die verlängerten Weihnachtsferien hinweg auszugeben. Da würde im pro-Kopf-Schlüssel je nach Schulgröße ein durchaus achtbarer Betrag für CO2-Ampeln, Plexiglas-Scheiben oder mobile Lüftungsgeräte in den Schulen ankommen. Eine flächendeckende Versorgung und Absicherung der Lernplätze für alle Schüler*innen wird es aber - Stand heute - auch im Januar nicht geben.  

Wenn Unterricht unabhängig von Inzidenzzahlen und weiteren Corona-Wellen  im Präsenzmodus stattfinden soll, dann müssen

-      die Lernplätze sicher gemacht werden,

-      die Schulen nicht als Kühlschrank sondern mit normalen Temperaturen betrieben werden,

-      Lehrkräfte wie Schüler*innen die Ausrüstung und das Handwerkszeug bekommen, das zeitgemäßen Hybrid-Unterricht ermöglicht.

Liebe Eltern an den Schulen des Landes: Das wäre doch einmal ein Wunschzettel, mit dem man allen Familien – und deren Arbeitgeber – bei Erfüllung Freude machen würde. Wie immer, blieben dann noch viele Wünsche für die Bildung übrig, die nicht erfüllt wären. Aber wir sollten nicht undankbar sein. Bei Erfüllung dieser Wünsche würden wir auch bei den Landtagswahlen im März milde über die Verantwortlichen der Bildungspolitik urteilen können.

Trotz allem: Schöne und ruhige Weihnachten. Es wird ein anderes Fest werden, aber machen Sie trotzdem das Beste daraus….

Mit herzlichen Grüßen

Michael Mattig-Gerlach, für den Vorstand der ARGE Stuttgart