Arbeitsgemeinschaft Elternbeiräte an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart

AKTUELLES

Tätigkeitsbericht des ARG-Vorstands zur Online-Mitgliederversammlung

Rundschreiben vom 9.November 2020

Liebe Mitglieder der ARGE Stuttgart,

kurz vor unserer ersten Mitgliederversammlung als Videokonferenz möchte der Vorstand eine Bilanz der letzten zweieinhalb Jahre Arbeit in der ARGE ziehen.

Wir werden den Vorstand der ARGE, also den/die Vorsitzende(n), die Stellvertretung, wenigstens eine(n), maximal zwei Beisitzer(-in), sowie den/die Schriftführerin im Amt bestätigen oder, wenn sie nicht mehr zur Wahl stehen, neue Elternvertreter wählen.

Ines Müller-Vogt als Stellvertreterin und Reinhold Hauser als Schriftführer stehen nicht mehr zur Wahl. Michael Mattig-Gerlach (Vorsitz) und Stefanie Knecht (Beisitzer) kandidieren für eine Wiederwahl.

Wer am Mittwoch in der Videokonferenz durch die Mitglieder gewählt werden will, sollte sich bitte mündlich während der Videokonferenz oder schriftlich beim Vorsitz der ARGE Stuttgart bewerben.

Zur Bilanz:

Am 5.Mai 2018 wurde Michael Mattig-Gerlach zum Vorsitzenden der ARGE Stuttgart als Nachfolger von Bernhard Herp gewählt. Georg Appel als stellvertretender Vorsitzender und Christina Bechmann als Kassiererin wurden in ihren  Ämtern bestätigt. Chrissi Bach als Schriftführerin und Kerstin Balden-Burth als Beisitzerin ins Amt gewählt.

Der neu zusammengesetzte Vorstand der ARGE setzte als Schwerpunkte drei Arbeitsbereiche:

-      Die Unterrichtsversorgung an den Gymnasien des Landes,

-      die Durchsetzung der Lernmittelfreiheit

-      die Verbesserung der Kommunikation und Zusammenarbeit aller vier Arbeitsgemeinschaften gymnasialer Elternvertreter (ARGEn) im Land.

Im November 2017 hatten Landtags-Bildungspolitiker auf der ARGE-Mitgliederversammlung die Klagen der Eltern über wachsenden Unterrichtsausfall als nicht belegbar bezeichnet. Es gebe keine belastbaren Zahlen über den tatsächlichen Unterrichtsausfall. Die ARGE Stuttgart hatte daraufhin noch im alten Vorstand die Durchführung einer eigenen Erhebung beschlossen, die dann auch im Januar/Februar 2018 die Vermutungen der Eltern bestätigten: 13,5 Prozent des Unterrichts an den Gymnasien waren im Erhebungszeitraum nicht wie geplant durchgeführt worden.

Als die ARGE Stuttgart mit diesen sehr klaren Ergebnissen an die Öffentlichkeit ging, bestätigten plötzlich sowohl das Regierungspräsidium Stuttgart als auch das Kultusministerium grundsätzlich die Ausfallzahlen. Lediglich in der Frage des Vertretungsunterrichts waren sich Elternvertreter und Kultusbürokratie uneins. Das Kultusministerium führte ab 2018 plötzlich zwei Mal im Jahr eigene Vollerhebungen zum Unterrichtsausfall durch – und veröffentlichte plötzlich die Daten, die davor für Eltern nicht vorhanden oder zugänglich waren. Schon das war ein großer Erfolg der ARGE-Elternarbeit: Seitdem sind die Ausfallzahlen für jeden einsehbar und können nicht mehr unter den Tisch gefegt werden wie davor.

Die ARGE ging den nächsten Schritt und stellte Forderungen auf, um die Misere schnellstmöglich zu beenden.

-      Eine mindestens 110 prozentige Unterrichtsversorgung,

-      ein Ende der Entlassung von Referendaren nach dem 2.Staatsexmanen,

-      die Kürzung der Lehrerdeputate für den Regelunterricht um eine Stunde zugunsten der schulspezifischen Krankheits-Vertretung,

-      regionale Springerverträge für Lehrkräfte zur Aushilfe von Krankheitsfällen,

-      die Erleichterung des Quereinstiegs für qualifizierte Kräfte aus der Wirtschaft und

-      die Erhöhung der Altersermäßigung an Deputats-Stunden mindestens ab dem Alter von 63 Jahren.

In mehreren Landespressekonferenzen, zwei Gesprächen mit der Kultusministerin und den zuständigen Abteilungsleitern sowie dem Regierungspräsidium wurde versucht, die Forderungen der Eltern zu publizieren und – zusammen mit den Lehrer-Gewerkschaften von PhV und GEW – umsetzen zu lassen. In allen Gesprächen war jedoch wenig Bereitschaft zu erkennen, an den Missständen Grundsätzliches zu ändern. Als sich dann auch noch herausstellte, dass das Kultusministerium die ARGE-Vertreter quasi dazu benutzte, um bei den Landtagsfraktionen die Kürzung des Bildungshaushaltes zu verhindern – was gelang -, gleichzeitig jedoch seitens des Ministeriums nichts getan wurde, um auch nur in Ansätzen die Forderungen der Elternvertreter umzusetzen, ging die ARGE Stuttgart den zuvor angekündigten Schritt und bereitete eine Klage gegen das Land vor.

In einem von der ARGE in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten wurde der Anspruch von Eltern und Schülern auf Unterricht bestätigt, eine Ausfallquote von über 10 Prozent innerhalb eines Jahres als rechtswidrig und als Verletzung der Grundrechte von Schüler*innen eingestuft.

Die ARGE veröffentlichte das Rechtsgutachten und kündigte eine Klage eines entsprechend benachteiligten Schülers/einer Schülerin an für den Fall, dass sich weder im Doppelhaushalt 2020/21 noch in der Unterrichtsrealität eine entscheidende Verbesserung der Unterrichtsversorgung feststellen ließe. Der Haushalt brachte ebenso wenig eine Verbesserung der Schulwirklichkeit wie die regelmäßig zum Schuljahresbeginn seitens des Kultusministeriums verkündeten Maßnahmen. Die ARGE stellte dies in einer zweiten Erhebung Mitte 2019 fest und wurde durch die vom Kultusministerium jetzt plötzlich regelmäßig möglichen Vollerhebungen ebenfalls im Grundsatz bestätigt.

Eine Schülerin und eine Familie, die bereit zu einer Klage waren, wurden gefunden, die Klageschrift vorbereitet – als die Corona-Pandemie eine Klage zumindest vorläufig hinfällig machte. Wenn in einem halben Schuljahr Pandemie-bedingt 40 Prozent Unterricht ausfallen müssen, dann macht eine Klage – auch wenn ihr grundsätzlich eine völlig andere Situation zugrunde liegt – wegen 13 Prozent Unterrichtsausfall derzeit keinen Sinn.

Der zweite Schwerpunkt der ARGE-Arbeit in den letzten beiden Jahren war die Durchsetzung der seit mehr als zwei Jahrzehnten vor sich hinsiechenden Lernmittelfreiheit. Es gibt ein Grundsatzurteil zur Lernmittelfreiheit und es gibt Landesgesetze, die ebenfalls klare Richtlinien enthalten. Gleichwohl werden immer wieder Eltern in vielen Schulen zur Kasse gebeten, um Lernmittel für ihre Kinder anzuschaffen, weil das Schulbudget nicht ausreicht. Auf derselben „Baustelle“ arbeitete auch jahrelang der Landeselternbeirat. Immerhin ist jetzt eine „Handreichung“ für Eltern herausgegeben worden, in der die bekannten Grundsätze der Gerichtsurteile und der Landesgesetze erneut festgelegt wurden. Entscheidender Nachteil allerdings: Nur der LEB und das Kultusministerium teilen diese Handreichung. Die direkten Geldgeber für die Lernmittel sind die Schulträger, also die Kommunen. Und die schieben die Verantwortung ebenso wie bei den aktuellen Diskussionen um die Belüfter für die Corona-belasteten Klassenräume hin und her:

Das Ministerium fordert einen Beschluss von den Schulträgern, bevor man Mittel zur Verfügung stellen könne, die Schulträger fordern die Bereitstellung der Mittel, bevor man eine Ausrüstung der Schulen beschließen könne. Wie ist die im Sinne einer digitalen Schule notwendige Anschaffung eines „digitalen Endgerätes“ für Schüler*innen zu bewerten. Aus unserer Sicht ein ganz klarer Fall von Lernmittel, das leihweise den Schüler*innen zur Verfügung gestellt werden muss. Das kostet Geld und… 

Wie so oft in der Bildungspolitik der letzten Jahre ist das Ergebnis auch hier: Es geschieht nichts, was den Schüler*innen, den Eltern, den Schulen und den Lehrkräften wirklich eine Verbesserung der Schulsituation bringt.

Im dritten Arbeitsschwerpunkt war die ARGE Stuttgart enorm erfolgreich:  Im November 2018 wurde in Ludwigsburg eine gemeinsame Klausur der ARGEn der Regierungspräsidien Stuttgart, Tübingen, Freiburg und Karlsruhe veranstaltet. Eine Arbeitsteilung und ein gemeinsames Vorgehen in der Elternarbeit wurde beschlossen. Dies wird in der Zwischenzeit auch in allen Bereichen praktiziert. Sowohl bei der Klage zur Kostenerstattung der Schülerbeförderung – Federführung: die ARGE Tübingen – als auch bei einer möglichen Klage zum Unterrichtsausfall – Federführung: die ARGE Stuttgart – arbeiten die ARGEn im Land als Elternvertreter auf Landesebene zusammen. Im Landeselternbeirat (LEB) sind die Vorsitzenden der ARGEn ebenfalls vertreten und stimmen gemeinsame Aktionen in allen Bereichen der Elternarbeit aufeinander ab. So gab es eine gemeinsame Erhebung der ARGEn zur Frage von G8 oder G9 als bevorzugte gymnasiale Schulform der Zukunft und eine Erhebung zur Situation vor, während und nach dem Lockdown aufgrund von Corona. (Siehe die LEB-Zeitschrift „Schule im Blickpunkt“).

Die gesamte Arbeit des ARGE-Vorstandes wurde in den zweimaligen Mitgliederversammlungen pro Jahr, darüber hinaus aber auch in den  regelmäßigen, fast monatlichen Rundschreiben für alle ARGE-Mitglieder in Mail-Form und auf der ARGE-website transparent gemacht. In einigen hundert Mails zu Fragen des Unterrichts zu Pandemie-Bedingungen und ungezählten Einzeltelefonaten zu spezifischen Problemen im Unterricht hat der ARGE-Vorstand versucht, allen unseren Mitgliedern beim Lösen von Problemen zu helfen.

Es gab und gibt Rückschläge in unserer gemeinsamen Arbeit. Unser schwerster Rückschlag war allerdings ein persönlicher, als 2018 unser stellvertretender Vorsitzende und Freund Georg Appel völlig unerwartet verstarb.

Der ARGE-Vorstand war und ist generell dankbar für die Unterstützung und Wertschätzung, die wir bei unserer Arbeit als Elternvertreter erfahren haben. Die enge Verbundenheit von Mitgliedern und Vorstand hat sich am deutlichsten in der Anteilnahme nach dem Tod von Georg Appel gezeigt.

Soweit wir können und insoweit wir wiedergewählt werden, wollen wir unsere Arbeit mit den drei Schwerpunkten fortsetzen. Durch Corona wird es allerding noch einen vierten Punkt geben, auf den wir uns konzentrieren wollen und müssen:

Corona hat deutlicher als jemals zuvor die Mängel in unserem Schulsystem klargemacht. Plötzlich ist die digitalisierte Schule im Blickpunkt, die jahrelang nicht richtig vorankam – siehe das krachende Scheitern der digitalen Lernplattform „Ella“ - und für die jetzt plötzlich viel Geld zur Verfügung gestellt werden soll. 

-      Wie man die bisherigen Mängel im Präsenzunterricht beseitigen will,

-      wie man den Unterrichtsausfall verringern und kleinere Klassen ermöglichen will,

-      wie die Schulen durch Fortbildungen der Lehrer und Sanierungen der Schulen zukunftstauglich gemacht werden sollen

und schließlich

-      wie man nach dem Scheitern des derzeitigen G8-Schulmodells durch eine grundlegende Reform von Lernzeiten und -Inhalten die Gymnasien im Land zukunftstauglich machen kann,

dazu gibt es keine erkennbaren Konzepte.

Nach wie vor, so das Fazit auch in der Corona-Zeit, will das Land nicht genug Geld zur Verfügung stellen, um an den Schulen die Unterrichtsbedingungen zu schaffen, die ein reiches Land wie Baden-Württemberg seinen Kindern eigentlich als Selbstverständlichkeit anbieten müsste.

Wir sehen unsere Arbeit in der ARGE Stuttgart noch lange nicht beendet und wir sehen uns auf dem richtigen Weg, die Interessen der Eltern an den Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart so stark wie noch nie zuvor und in Kooperation mit allen anderen Elternvertretungen erkennbar zu machen. Wir wissen, dass bisher für viele Politiker offensichtlich alles andere im Land wichtiger war als zukunftsfähige Schulen und der technischen und geistigen Entwicklung entsprechende Unterrichtsbedingungen. Das muss sich ändern und dafür bitten wir Sie in der Mitgliederversammlung um die förmliche Entlastung und das Vertrauen für den Vorstand der nächsten zwei Jahre.