Arbeitsgemeinschaft Elternbeiräte an Gymnasien im Regierungsbezirk Stuttgart

AKTUELLES

Nichts ist besser geworden im neuen Schuljahr - aber einiges schlechter!

Rundschreiben vom 29.November 2021 - Rechenschaftsbericht des Vorstandes der ARGE Stuttgart

Liebe Mitglieder der ARGE Stuttgart,

zum dritten Mal haben wir unsere Mitgliederversammlung als Videokonferenz durchführen müssen. Der Grund ist bekannt. Hoffentlich ermöglicht das Ende der Pandemie irgendwann im nächsten Jahr, endlich wieder zu „normalen“ Präsenz-Versammlungen zurückzukehren.

Für die Teilnahme an und vor allem auch für ihre Disziplin in der Videokonferenz wollen wir uns seitens des ARGE-Vorstands noch einmal sehr herzlich bedanken. Das Protokoll folgt in Kürze.

Während der Videokonferenz als auch in Mails danach wurde nach dem „Beitrag“ der Schulen für die ARGE Stuttgart gefragt:

Zur Finanzierung der ARGE-Arbeit bitten wir, einen Obolus von 5 Cent pro Schüler auf das ARGE-Konto bei der BW-Bank zu überweisen. 

IBAN DE58 6005 0101 0002 0556 06

Alles Wesentliche/Grundsätzliche zur ARGE Stuttgart finden Sie auf unserer website: https://www.arge-stuttgart.org/index.php?id=6

Im Laufe der Videokonferenz hat der Vorsitzende einen Tätigkeitsbericht für das letzte und das aktuelle Schuljahr abgegeben. Wir wollen in diesem Rundschreiben die wichtigsten Punkte aufgreifen.

Hinsichtlich der Digitalisierung der Schulen hat die Pandemie die Rückständigkeit des Landes durchweg bestätigt. Eine der wesentlichen Aufgaben im letzten Schuljahr war keineswegs die Frage, wie man den Fernunterricht optimiert und möglichst viele Schüler*innen erreicht, sondern erst einmal ging es darum, die Schüler*innen überhaupt mit digitalen Endgeräten zu versorgen.

Vor allem zu Beginn der Pandemie gab es dann reichlich Klagen darüber, dass der nötige Fernunterricht mangelhaft und oft auch gar nicht stattfand. Manche Lehrkräfte zeigten sich – ebenso wie das gesamte Schulsystem im Land – völlig überfordert mit der Notwendigkeit, einen pädagogisch und didaktisch strukturierten Unterricht auf Distanz hinzubekommen. Die seit Langem erforderlichen und geforderten Fortbildungsmaßnahmen der Lehrkräfte finden bestenfalls im laufenden Schuljahr statt.

Zum Glück für unsere Kinder gab und gibt es aber unter Schulleitungen und Lehrkräften auch die große Zahl derjenigen, die mit der Pandemie-Situation sehr schnell lernten umzugehen und es dadurch schafften, die Zahl der abgehängten Schüler*innen so niedrig wie möglich und das Lerndefizit durch Fernunterricht so gering wie möglich zu halten.

Womit wir bei den zumeist vergeblichen Versuchen der Elternvertreter überall im Land und leider auch der ARGE Stuttgart sind, mit den Folgen der Pandemie besser fertig zu werden, als das der Fall war und ist:

Schon vor dem letzten Winter, genauer: seit September 2020, forderte die ARGE zusammen mit dem Landeselternbeirat und vielen Gesamtelternbeiräten dazu auf, die Klassenzimmer sicher zu machen. Konkret war es die Forderung nach mobilen Luftfiltern und Plexiglasscheiben, die überall fast vergeblich aufgestellt wurde. Bis vermutlich zum Frühjahr wird sich die Beschaffung von Luftfiltern hinziehen. Bis dahin sitzen unsere Kinder wie im letzten Winter mit Stoßlüftung alle 20 Minuten in der Kälte. Die Forderungen der ARGE Stuttgart – im Einklang wieder mit den anderen ARGEn im Land und dem Landeselternbeirat – wurden allesamt ignoriert: In einem Brief an die neue Kultusministerin Theresa Schopper im Mai 2021 (!) wurden diese klar formuliert:

-      Ausstattung der Klassenräume mit Luftfiltern/Lüftern und Plexiglasabtrennungen, um die Problematik der Aerosole wirkungsvoll anzugehen,

-      Klare Vorgaben für Hybrid-, Wechsel und/oder Fernunterricht, wenn dieser aufgrund von reduzierten Lerngruppen von den Schulen organisiert werden muss,

-      Klare Regeln, Anweisungen und Finanzierung für die Betreuung der Schüler*innen, die im Falle von Hybrid- oder Wechselunterricht nicht am Präsenzunterricht teilnehmen können,

-      Zeitversetzter Beginn und unterschiedliches Ende des Unterrichts, um auch den Transport in und von der Schule zu entzerren.

Statt wirkungsvoller konkreter Maßnahmen gab es von der neuen Landesregierung lediglich die ständig wiederholte Absichtserklärung, dass es keine Schulschließungen mehr geben werde. Auf welch dünnem Eis sich diese Absichtserklärungen bewegen, sieht man gerade wieder während der vierten Pandemie-Welle, deren Ende und Auswirkungen noch keineswegs in Sicht sind.

Die ARGE Stuttgart hat sich darüber mit unserem Rechtsanwalt beraten und ist bereit, die Versäumnisse der Landesregierung notfalls im Eilverfahren vor Gericht bestätigen zu lassen und dadurch das Land zu zwingen, das Geld auszugeben, das seit Jahren nötig wäre, um unseren Kindern sicheren Unterricht zu garantieren. Im Falle einer drohenden Schulschließung wird die ARGE Stuttgart eine oder auch mehrere betroffenen Familien bzw deren Kinder bei einer Klage gegen diese Schulschließung mit Rechtsgutachten und anwaltlich vor Gericht unterstützen.    

Das Fazit zu Beginn des Schuljahres 2021/22: Nichts ist gegenüber dem Vorjahr besser geworden, einiges sogar schlechter:

-      Die Lehrkräfte-Unterversorgung und der daraus folgende

       Unterrichtsausfall,

-      der Streit um die Umsetzung der Lernmittelfreiheit – sind Tablet und

       Ipads Lernmittel, also kostenfrei den Schüler*innen zur Verfügung zu

       stellen?

-      die Übernahme der Beförderungskosten in die Schulen,

-      die fehlende Kompetenz der Lehrkräfte bei digitalen Unterrichtsformen

-      schließlich die Digitalisierung der Schulen auf ein unserer Zeit gemäßes

       Niveau.

Alles wie gehabt und alles wie vor der Pandemie.

Wie bei der Frage erneuter Schulschließungen will die ARGE Stuttgart auch bei zwei weiteren Problemfällen notfalls vor Gericht für eine Änderung zugunsten unserer Kinder kämpfen:

  • Für die Lehrkräfte-Unterversorgung und den inakzeptablen Unterrichtsausfall gibt es bereits ein Rechtsgutachten, das zum Einsatz kommen kann, sobald ein von einem oder mehreren betroffenen Schüler*innen entsprechend hoher Unterrichtsausfall über mehrere Monate hinweg dokumentiert wird und die Eltern dieser Schüler*innen bereit sind, sich dagegen vor Gericht zu wehren.
  • Für die Durchsetzung der Lernmittelfreiheit genügt im Falle einer Verletzung dagegen sogar eine einfache einstweilige Verfügung. Hier ist die Rechtslage durch Schulgesetz und Landesverfassung klar, die strittigen Fragen der Interpretation durch rechtskräftiges Urteil aus dem Jahr 2002 beantwortet. Alles was über zwei Euro Kosten liegt und zur Erreichung des Lernziels im Unterricht unerlässlich ist, gehört zu den Lernmitteln und muss von den Schulen mindestens leihweise zur Verfügung gestellt werden. Dazu gehören eben auch die eingesetzten digitalen Mittel von ipads oder Tablets.

Warum die dreimalige Erwähnung von Gerichtsverfahren?

Leider haben wir alle in den letzten Monaten – und leider auch in den letzten Jahren – feststellen müssen, dass die Meinungen und Argumente der Elternvertreter nirgends berücksichtigt werden. Selbst Schul- oder gar Verfassungs-gesetzlich bindende Partizipationsmöglichkeiten werden nicht überall umgesetzt. Sie selbst wissen alle, wie weit es damit an Ihrer Schule ist, beispielsweise in der Schulkonferenz die Vorschriften zum Schulbudget einzuhalten und alle wesentlichen Beschlüsse von GLK und Schulleitung in der Schulkonferenz VOR dem Beschluss zu diskutieren.

Bei ARGE und auch LEB werden wir mit Rückmeldungen konfrontiert, wonach es immer weniger Eltern gibt, die bereit sind, sich als Elternvertreter zu engagieren. (Lesen Sie dazu auch den ebenfalls verschickten Artikel aus der Dezember-Ausgabe von „Schule im Blickpunkt“) Leider ist das nur zu gut nachzuvollziehen. Warum sollte man sich als Eltern für etwas engagieren, seine Freizeit opfern und immer wieder feststellen müssen, wie wenig die Kompetenz und die Argumente von Eltern in der Bildungspolitik insgesamt – und an vielen Schulen eben auch – respektiert werden. Alle Vorstöße von Elternvertretern, eine Änderung der Bildungspolitik zu erreichen und das Geld zu investieren, das angesichts der zahlreichen Defizite im Bildungswesen erforderlich ist, laufen oder liefen ins Leere.

Um ein aktuelles Beispiel zu nennen: 90 Prozent der an einer Umfrage unter den gymnasialen Eltern teilnehmenden Eltern sprachen sich für das Modell G9 als Regelschulzeit bis zum Abitur aus mit der Möglichkeit das Abitur auf Wunsch auch in acht Jahren zu absolvieren. Die Reaktion der neuen Landesregierung: Explizit wird eine strukturelle Diskussion über das Bildungssystem im Koalitionsvertrag ausgeschlossen!

Es bleibt auch unter der neuen Kultusministerin alles wie gehabt. Und leider kann man sich für die etwas angenehmer als früher formulierte Abfuhr auch bei Theresa Schopper nichts kaufen.

Übrigens genauso „wie gehabt“ sind die Ankündigungen des Kultusministeriums auf die schöne neue Bildungswelt, die jetzt aber wirklich bald ausbrechen wird: Ausschließlich kompetente Lehrkräfte und keineswegs Lehrkräfte unabhängige Vergleichsarbeiten werden in der Lage sein, die Lerndefizite aus der Corona-Zeit zu erkennen und die richtigen Empfehlungen für die Rückenwind-Kurse zu geben. Selbstverständlich wird das nötige Personal für die nachzuholenden Defizite in den Hauptfächern in Heerscharen an die Schulen strömen und – ruck-zuck – die zurückgebliebenen Schüler*innen wieder an das allgemeine Lernniveau der Lerngruppen herangeführt haben.

Wo diese Heerscharen zusätzlicher lehrfähiger Personen herkommen sollen, wenn schon die regulären Stellen nicht gefüllt werden können, hat das Kultusministerium zumindest im Landeselternbeirat den Elternvertretern nicht nachvollziehbar erklären können. Dafür meldet sich die Realität für die Bildungspolitik im Land zu Wort: Die vom Kultusministerium beantragten zusätzlichen Lehrkräfte-Planstellen für den nächsten Doppelhaushalt wurden gestrichen. Und dabei sollten diese zusätzlichen Lehrkräfte lediglich den Anstieg der Schülerzahlen ausgleichen und nicht die miserable aktuelle Versorgung verbessern!

Die willigen „Rückenwind-Lehrkräfte“ bekommen jetzt erst nach und nach ihre Verträge, Rückenwind-Kurse dürften erst Ende November überall dort beginnen können, wo es dafür Lehrkräfte gibt. Dass entgegen der vollmundigen Ankündigungen im Landeselternbeirat durch den Vertreter des Kultusministeriums die Verträge keineswegs über die gesamte Laufzeit des zweijährigen Programms gelten, sondern nur bis zum 1.Juni 2022 ist einer der üblichen Fehlleistungen des Kultusministeriums.

Die unverändert unzureichende Bildungspolitik insgesamt, die jahrelangen Versäumnisse und die unveränderte Taubheit gegenüber allen Argumenten zugunsten unserer Kinder - und neuerdings eben auch das Gesundheit- und Schulbildung-gefährdende Missmanagement während der Pandemie hat uns im Vorstand der ARGE zu der Überzeugung gebracht, überall dort auch gerichtliche Schritte zu erwägen, wo sich die Versäumnisse in sträfliche Vernachlässigung der Pflichten von Minister*innen summieren.

Wir würden lieber gerne argumentieren und diskutieren. Und wir würden es vorziehen, Verständnis und Kompromissbereitschaft vorzufinden. Stattdessen zwingen uns Missachtung und Ignoranz gegenüber der Zukunft unserer Kinder dazu, notfalls auch gerichtlich zugunsten unserer Kinder vorzugehen.       

Mit herzlichen Grüßen

Michael Mattig-Gerlach, Thomas Brauer

für den Vorstand der ARGE Stuttgart